Stell dir mal vor, du startest begeistert in ein neues Projekt. Dein Auftraggeber signalisiert Offenheit und will sich voll auf deine Expertise verlassen. Doch immer wieder mischt er sich ein: Zunächst mit kleinen Ergänzungen, später mit umfassenden Anpassungen und Zusatzaufgaben. Wie gehst du damit um?
Die meisten Selbstständigen und Unternehmer, die ich kenne, fühlen sich gezwungen, die Wünsche ihrer Auftraggeber umzusetzen, auch wenn sie selbst anderer Meinung sind. In diesem Artikel zeige ich dir, warum das weder gut für dich ist, noch für deinen Auftraggeber. Und ich verrate dir sechs Argumente, mit denen die unpassenden Wünsche deiner Auftraggeber der Vergangenheit angehören.
Wenn Auftraggeberwünsche Stress auslösen
Vor vielen Jahren habe ich als freiberuflicher Designer für Agenturen und kleine Unternehmen gearbeitet. An neue Projekte trat ich mit Freude und Begeisterung heran, da sie mir eine Chance boten, meine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und damit jemandem zu helfen, sein Geschäfts voranzubringen.
Die ersten Anpassungswünsche nach Projektstart empfand ich noch nicht als problematisch. Schließlich haben sie mir dabei geholfen, die Anforderungen richtig zu verstehen und bestmögliche Arbeit zu leisten. Als ich dann aber gebeten wurde, bereits abgesegnete Projektschritte nochmal neu zu denken oder Aufgaben zu übernehmen, die gar nicht zum vereinbarten Umfang des Projekts gehörten, änderte sich meine Stimmung.
Die anfängliche Begeisterung war verflogen, die Arbeit wurde zäh und mühsam. Ich verlor den Spaß am Projekt und wünschte mir nur noch, es möge bald vorüber sein. Jede E-Mail meines Auftraggebers versetzte mich in Stress: Was will der schon wieder? Ich mied den Kontakt, wo das möglich war, und schob die Arbeit am Projekt immer wieder auf.
Hand auf’s Herz: Geht’s dir auch manchmal so, dass die Wünsche eines Auftraggebers dich zu Weißglut oder Verzweiflung treiben? Sehnst du dir das Ende eines Projekts herbei, in das du ursprünglich hoch motiviert gestartet bist?
Warum erfüllen wir anderen jeden Wunsch?
Wir könnten doch einfach nein sagen, unsinnige Anfragen ablehnen und weiter unser Ding machen. So einfach scheint es aber nicht zu sein, denn das tun die wenigsten Selbstständigen und Unternehmer, die ich im Coaching begleite. Stattdessen beißen sie die Zähne zusammen und setzen die Wünsche ihrer Auftraggeber um – auch wenn sie ursprünglichen Absprachen oder gar dem eigenen Wertegerüst zuwiderlaufen. Warum?
Die ersten Wünsche der Auftraggeber erscheinen oft wie das Finetuning des Auftrags und sind erstmal okay. Sie helfen womöglich dabei, das Projekt besser zu verstehen. Leider liegt hier auch ein Fallstrick: Wer sich anfänglich flexibel und kompromissbereit zeigt, erzeugt beim Auftraggeber die Lernerfahrung (und damit Erwartungshaltung), jederzeit nachjustieren zu können.
Dann ist da noch das liebe Geld: Der Auftraggeber bezahlt für eine Dienstleistung. Und wer bezahlt, bestimmt … In welche Position bringst du dich, wenn du das glaubst? Augenhöhe zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber wird erst möglich, wenn sich einer nicht mehr dem anderen unterordnet, sondern auch mal Tacheles geredet wird.
Wenn ich das mit meinen Kunden im Coaching aufdrösele, dringen wir oft zum wahren Kern des Problems vor: der Vermeidung einer Auseinandersetzung mit dem Auftraggeber bzw. der Angst davor, ihn zu verlieren. Wenn das für dich gerade auch ein Thema ist, dann überleg mal, wie schlimm es wirklich wäre, eine Zusammenarbeit, die nur noch an dir zehrt, zu beenden. Natürlich heißt das nicht, sich bei jedem Konflikt gleich vom Auftraggeber zu trennen. Ich meine viel mehr, dass du den Abschied von deinem Auftraggeber als mögliche Lösung erwägen kannst, wenn jeder Versuch gescheitert ist, einen Konsens zu finden.
So bleibst du bei dir statt dich zu verbiegen
Wie gelingt es jetzt, Wünsche abzulehnen, die dir nicht in den Kram passen? Zunächst musst du selbst davon überzeugt sein, dass du einen Wunsch nicht erfüllen willst. Die folgenden drei Argumente helfen dir dabei, das nötige Selbstbewusstsein zu entwickeln.
#1 Du leistest mehr.
In den letzten Jahren habe ich immer wieder miterlebt, wie Selbstständige und Unternehmer gegen sich selbst arbeiten, wenn sie die Wünsche ihrer Auftraggeber umsetzen, obwohl diese den eigenen Überzeugungen zuwiderlaufen. So kann keine Arbeitsbeziehung entstehen, die Spaß macht und in der sich Auftragnehmer und Auftraggeber gegenseitig befruchten. Und es kann auch kein gutes Arbeitsergebnis entstehen, da eine Motivation, die über die Bezahlung hinausgeht, fehlt. Du kannst erst dein Bestes geben, wenn du mit ganzem Herzen dabei bist und den Wunsch deines Auftraggebers mitträgst.
#2 Deine Arbeit ist es wert.
Zusätzliche Korrekturen, Sonderwünsche oder angepasste Zeitpläne bedeuten fast immer, dass Zeit draufgeht, die nicht einkalkuliert war. Wenn du den Wünschen deines Auftraggeber nicht irgendwann Einhalt gebietest (oder nachverhandelst), schneidest du dir ins eigene Fleisch und zahlst am Ende womöglich drauf. Kluge Selbstständige planen daher bereits bei der Kalkulation Pufferzeit mit ein und entwickeln ein Gefühl dafür, wann es nötig ist, Sonderwünsche abzulehnen.
#3 Du hast genug Zeit.
Nicht nur ein geringer Verdienst spricht gegen das Erfüllen jedes Wunsches, sondern auch die investierte Zeit an sich. Gerade wir Sidepreneure müssen nicht nur die Projektarbeit für unsere Auftraggeber, die Arbeit an unserem Business und unser Privatleben unter einen Hut bringen, sondern auch genug Zeit und geistige Kapazität für unsere Anstellung übrig haben. Wichtig ist auch, dass wir bei all dem die Akquise neuer Projekte nicht vergessen – sonst stehen wir ohne Business da, wenn der Auftrag vorbei ist.
So lehnst du die Wünsche deiner Auftraggeber souverän ab
Bist du jetzt überzeugt davon, den ein oder anderen Auftraggeberwunsch abzulehnen? Wunderbar! Aus diesem gewachsenen Selbstbewusstsein heraus kannst du nun deinen Auftraggeber davon überzeugen, dass es auch in seinem besten Interesse ist, von den ständigen Einmischungen abzulassen. Die folgenden drei Argumente helfen dir dabei, das freundlich aber bestimmt zu tun.
#4 Jeder bleibt bei seiner Expertise.
Als ich früher freiberuflich als Designer gearbeitet habe, gab es immer wieder Kunden, die sich kreativ in die Arbeit einbringen wollten. Ich glaube, sie haben die Abwechslung zu ihrem Alltag genossen und sind aufgegangen, indem sie im Projekt mitmischten. Das machte sie aber nicht zu Experten.
Du bist Experte oder Expertin auf deinem Gebiet und bringst das Talent, die Fähigkeiten und das Wissen mit, um deinen Auftraggeber bestmöglich zu unterstützen. Der wiederum kann sich gerne auf seinem Gebiet einbringen, in dem er dich mit allen nötigen Informationen versorgt und dir hilft, seine Branche oder sein spezielles Problem besser zu verstehen. Wenn ein Auftraggeber in deinen Arbeitsbereich eingreift, hilft eine Rollenklärung: Gib ihm zu verstehen, dass du sein Engagement schätzt, und schildere deine Sicht als Experte auf die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen.
#5 Es gibt ein klares und konkretes Ergebnis.
Ja, auch ein halbes Jahr nach Projektstart könnt ihr euch nochmal hinsetzen und alles neu denken. Aus meiner Erfahrung ist das allerdings kein zielorientiertes Vorgehen. Auftraggeber sind manchmal flatterhaft, weil sie in einem anlaufenden Projekt neue Chancen sehen, eine frische Perspektive entwickeln und motiviert sind, noch mehr zu schaffen. Das ist auch super! Mitunter sprengt es aber den Rahmen eines Projekts und verwässert das Ergebnis.
Deshalb ist es auch unsere Aufgabe, hier moderierend einzugreifen, um ein konkretes Ergebnis zu produzieren. Mit etwas Geschick kannst du die Wünsche deines Auftraggebers, die über das aktuelle Projekt hinausgehen, in neue Aufträge umwandeln, die ihr zu einem späteren Zeitpunkt angeht.
#6 Dein Auftraggeber kann sich auf dich verlassen.
Manchmal kriegen Auftraggeber Angst. Sie haben ein Projekt aus der Hand gegeben und fürchten jetzt, nicht genug Kontrolle über das Ergebnis zu haben, mit dem sie später leben müssen. Dabei vergessen sie gerne, dass wir als Auftragnehmer ebenfalls ein Interesse am Erfolg des Projekts haben, zum Beispiel, weil wir mit dem Ergebnis um neue Aufträge werben wollen.
Als Experte oder Expertin ist es deine Aufgabe, dem Auftraggeber die Sicherheit zu geben, die er braucht. Das Gefühl, dass er sich auf dich verlassen und dir sein Vertrauen schenken kann. Zu einer solchen starken Rolle gehört auch dazu, unpassende Wünsche souverän abzulehnen.
Selbstbestimmt bleiben und richtig gute Arbeit leisten
Wenn du oft Kurskorrekturen und Sonderwünsche deiner Auftraggeber umsetzt, obwohl du nicht dahinterstehst, kann Frust entstehen, der nicht nur die Arbeitsbeziehung trübt, sondern auch zu schlechten Ergebnissen führt. Gelingt es dir jedoch, als starker Auftragnehmer moderierend einzugreifen und Änderungswünsche abzulehnen, die dem Projekt nicht gut tun, wirst du dein Bestes geben und deinem Auftraggeber als souveräner Partner auf Augenhöhe begegnen.
Als Selbstständige und Unternehmer haben wir schließlich unser Business nicht gestartet, um uns unterzuordnen, sondern um selbstbestimmt zu arbeiten, gute Beziehungen zu führen und gemeinsam mit unseren Auftraggebern hervorragende Arbeit zu leisten. Du hast heute sechs Argumente kennengelernt, die dir dabei helfen, Wünsche deiner Auftraggeber abzulehnen, die dem entgegenstehen:
- #1 Du leistest mehr.
- #2 Deine Arbeit ist es wert.
- #3 Du hast genug Zeit.
- #4 Jeder bleibt bei seiner Expertise.
- #5 Es gibt ein klares und konkretes Ergebnis.
- #6 Dein Auftraggeber kann sich auf dich verlassen.
Jetzt weißt du, warum du nicht jeden Wunsch deines Auftraggebers gleich erfüllen solltest, und hast erste Ideen gewonnen, wie du unpassende Anfragen ablehnst. Als nächstes kommt die Umsetzung: Welchen kleinen Schritt unternimmst du noch heute, um einen fordernden Auftraggeber souverän in die Schranken zu verweisen? Und was hält dich noch davon ab, hier ganz selbstbestimmt zu agieren? Ich freue mich, von dir zu hören.